Für den Inhalt dieser Seite ist eine neuere Version von Adobe Flash Player erforderlich.

Adobe Flash Player herunterladen

Steuerberater Gißewski
Home
Unsere Mitarbeiter
Leistungsspektrum
Besondere Leistungen
News
Impressum
Datenschutzerklärung
Galerie
Anfahrt
Links

Brief für Unternehmer und Freiberufler des Monats Dezember 2012


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Keine Sperrfristverletzung bei Übertragung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens

2.

Zur Abzugsfähigkeit des Vorteilsverbrauchs bei zinslosen Darlehen

3.

Teilwertabschreibung auf Tochtergesellschaft wegen Verlusten aus Fremdwährungsverbindlichkeiten

4.

Vertrauensschutz in den Fortbestand einer steuerrechtlichen Regelung

5.

Brennpunkt - Facebook im Arbeitsrecht

6.

Betriebsrat kann als Gremium zivilrechtlich rechtsfähig sein

7.

Leiharbeit und Kettenbefristungen im Konzern zulässig

8.

Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit zulässig

9

Bedrohung eines Vorgesetzen ist fristloser Kündigungsgrund

10.

Gelangensbestätigung: Praktikable Lösung in Sicht

11.

Kfz-Nutzung bei Unternehmen mit steuerfreien und -pflichtigen Umsätzen

12.

Kfz-Nutzung: Ist die 1 %-Methode verfassungsgemäß?

13.

Neues zur Geschäftsveräußerung im Ganzen

14.

Korrektur von Rechnungen bei Umkehr der Steuerschuldnerschaft

15.

Sonderabschreibungen auf Bodenschätze zulässig?

16.

Markt- und Flexibilitätsprämie nach dem EEG in der Umsatzsteuer

17.

Schulessen und Umsatzsteuer

18.

Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

19.

Haftungsvoraussetzungen für Aufsichtsräte einer AG

20.

Steuerfreie Übertragungen von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen

21.

Steuerfreie Veräußerung nach vorheriger Teilwertabschreibung

22.

Steuerneutrale Generationennachfolge bei Personengesellschaften

23.

Wer vertritt eine AG im Rechtsstreit gegen eine GmbH?

24.

Rentenbeiträge sinken zum 1.1.2013 auf 18,9 %

25.

Keine Kündigung eines alkoholkranken AN trotz Rückfällen

26.

Aufrechnung im Insolvenzverfahren

27.

Kommunale Kindertagesstätten begründen einen Betrieb gewerblicher Art

28.

Bildung von Rückstellungen wegen zukünftiger Betriebsprüfungen





1. Keine Sperrfristverletzung bei Übertragung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens

Kernproblem
Für die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft enthält das Einkommensteuergesetz eine günstige Regelung: Der Vorgang ist steuerneutral, soweit die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Die Steuerneutralität entfällt aber rückwirkend, wenn das Wirtschaftsgut anschließend innerhalb einer 3-jährigen Sperrfrist veräußert wird. Keine Sperrfrist ist zu beachten, wenn bei der ursprünglichen Übertragung eine negative Ergänzungsbilanz für den übertragenden Gesellschafter gebildet wurde. Ob die Ausnahmeregelung auch im Fall der Einmann-GmbH & Co. KG gilt, war nunmehr finanzgerichtlich zu klären.

Sachverhalt
Der 100 %ige Kommanditist einer GmbH & Co. KG überließ dieser ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück zur betrieblichen Nutzung. Das Grundstück war somit unstreitig als Sonderbetriebsvermögen zu qualifizieren. Im Streitjahr 2007 übertrug er dieses Grundstück unentgeltlich in das Gesamthandsvermögen der KG. Bereits ein Jahr später veräußerte die KG das Grundstück entgeltlich an einen Dritten. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellte die Veräußerung eine Sperrfristverletzung für die ein Jahr zuvor erfolgte Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen dar. Dem widersprach der Steuerpflichtige mit dem Argument, dass eine Sperrfristwirkung überhaupt nicht bestehe, da er in 2007 eine negative Ergänzungsbilanz bei der KG aufgestellt habe. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren reichte er sodann Klage beim Finanzgericht (FG) Düsseldorf ein.

Entscheidung
Die Richter stimmten der Auffassung des Steuerpflichtigen zu. Der Gesetzeswortlaut stelle ausdrücklich klar, dass eine Sperrfristwirkung nicht bestehe, wenn bei der ursprünglichen Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft eine negative Ergänzungsbilanz aufgestellt wurde. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sei dem Gesetz keine (Rück-)Ausnahme zu entnehmen, wonach dies für den Fall einer Einmann-GmbH & Co. KG nicht gelte.

Konsequenz
Dem für den Steuerpflichtigen günstigen Urteil ist zuzustimmen. Zur höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage wurde allerdings die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

2. Zur Abzugsfähigkeit des Vorteilsverbrauchs bei zinslosen Darlehen

Kernproblem
Die Vergabe eines zinslosen Darlehens durch eine Tochterkapitalgesellschaft an ihre Schwesterkapitalgesellschaft stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an die Mutterkapitalgesellschaft dar. Der der Mutter zugewendete Vorteil gilt mangels Einlagefähigkeit jedoch für Zwecke ihrer Beteiligung als verbraucht, so dass bei der Muttergesellschaft ein (fiktiver) Aufwand entsteht. Die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dieser fiktive Aufwand eine steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe darstellt, war nunmehr Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens.

Sachverhalt
Die klagende GmbH ist Muttergesellschaft von insgesamt 3 Tochterkapitalgesellschaften. Im Streitjahr 2002 gewährte Tochter-GmbH 1 ein zinsloses Darlehen an Tochter-GmbH 2, die die erhaltenen Gelder ihrerseits als zinsloses Darlehen an die Tochter-GmbH 3 weiterleitete. Zwischen der Klägerin und der Finanzverwaltung bestand insoweit Einigkeit, dass sowohl eine vGA seitens der Tochter-GmbH 1 als auch seitens der Tochter-GmbH 2 vorlag. Ebenso war unstrittig, dass der Mutter-GmbH aufgrund beider Darlehen jeweils ein fiktiver Aufwand zuzurechnen war (Vorteilsverbrauch). Entgegen der Ansicht der Klägerin behandelte das Finanzamt den fiktiven Aufwand aus Darlehen 2 aber als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe, da ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit der steuerfreien vGA aus Darlehen 1 gegeben sei (Abzugsverbot i. S. d. § 3c EStG). Im Anschluss an ein erfolgloses Einspruchsverfahren reichte die Mutter-GmbH Klage ein.

Entscheidung
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein gab der Finanzverwaltung Recht und bejahte den unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den (steuerfreien) Einnahmen in Gestalt der vGA aus Darlehen 2 und den fiktiven Aufwendungen aus dem Vorteilsverbrauch aus Darlehen 1. Da die Vorschrift des § 3c EStG jedoch einen Abzug als Betriebsausgabe versage, wenn ein solcher Zusammenhang mit steuerfreien Erträge bestehe, könne der fiktive Aufwand vorliegend nicht steuerlich geltend gemacht werden.

Konsequenz
Gegen das Urteil ist zwischenzeitlich Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt worden. Ungeachtet dessen ist auf die Besonderheit des Streitjahres 2002 zu achten. Nach aktuellem Recht sind nunmehr Beteiligungsaufwendungen auf Ebene von Kapitalgesellschaften grundsätzlich voll abzugsfähig, auch wenn diese in einem vorstehend genannten Zusammenhang mit Beteiligungserträgen stehen. Im Gegenzug sind die Beteiligungserträge de facto aber nur noch zu 95 % (früher: 100 %) steuerbefreit.

3. Teilwertabschreibung auf Tochtergesellschaft wegen Verlusten aus Fremdwährungsverbindlichkeiten

Kernproblem
Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert kommt steuerrechtlich nur in Betracht, wenn eine voraussichtlich dauernde Wertminderung gegeben ist. Fraglich ist, ob der Teilwert einer im Anlagevermögen gehaltenen 100 %igen Tochterkapitalgesellschaft deshalb dauerhaft wertgemindert ist, weil diese aufgrund von Fremdwährungsverbindlichkeiten bilanziell überschuldet ist.

Sachverhalt
Die klagende AG war 100 %ige Gesellschafterin einer GmbH, die sie im Anlagevermögen zu Anschaffungskosten ansetzte. Im Streitjahr 2010 nahm die AG eine Teilwertabschreibung auf 1 DM vor, da die Tochtergesellschaft eine bilanzielle Überschuldung aufwies. Hintergrund hierfür waren in Schweizer Franken lautende Fremdwährungsdarlehen, die eine Laufzeit von 20 und 25 Jahren hatten, und deren Wert aufgrund der Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber der DM nach Darlehensaufnahme stieg. Den niedrigeren Teilwert behielt die Klägerin an den beiden folgenden Bilanzstichtagen bei. Eine Zuschreibung auf die ursprünglichen Anschaffungskosten erfolgte erst in der Bilanz zum 31.12.2003. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Teilwertabschreibung steuerlich nicht anzuerkennen sei. Hiergegen klagte die AG vor dem Finanzgericht Schleswig-Holstein.

Entscheidung
Nach Auffassung der Richter ist die Klage unbegründet. Eine bilanzielle Überschuldung der Tochtergesellschaft allein sei kein Indiz für eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung. Zudem sei im vorliegenden Fall die Überschuldung nicht Resultat des operativen Geschäfts der Tochtergesellschaft, vielmehr resultiere sie aus deren Wechselkursdifferenzen. Das Finanzgericht beruft sich dabei auf die in einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in 2009 aufgestellten Grundsätze, wonach ein Anstieg der Fremdwährung grundsätzlich keine dauerhafte Werterhöhung der Verbindlichkeit bei Restlaufzeiten von 10 Jahren oder mehr begründe. Vielmehr sei von einem Ausgleich der Wertschwankungen im weiteren Vertragsverlauf auszugehen.

Konsequenz
Gegen das Urteil hat die unterlegene AG Revision beim BFH eingelegt, dem nunmehr die höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage obliegt. Ungeachtet dessen ist zu beachten, dass nach geltender Rechtslage die Teilwertabschreibung auf Kapitalgesellschaftsanteile den steuerlichen Gewinn nicht mindert, wenn der Bilanzierende ebenfalls eine Kapitalgesellschaft ist. Da eine etwaige spätere Wertzuschreibung indes zu 5 % steuerpflichtig ist, ist die Nichtausübung des Wahlrechts zur Teilwertabschreibung regelmäßig steuerlich vorteilhaft.

4. Vertrauensschutz in den Fortbestand einer steuerrechtlichen Regelung

Kernaussage
Nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20.12.2001 sollten die nach Einkommen- oder Körperschaftsteuerrecht außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile aus sogenannten Streubesitzbeteiligungen (weniger als 10 %) rückwirkend für das Jahr 2001 im Gewerbesteuerrecht dem Gewinn wieder zugerechnet werden. Diese rückwirkende Geltung ist nichtig, soweit die Dividenden bis zum Beschluss des Vermittlungsausschusses am 11.12.2001 zugeflossen sind.

Sachverhalt
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Beteiligungs-GmbH, die im Streitjahr 2001 eine Streubesitzbeteiligung von weniger als 10 % des Stammkapitals an einer anderen GmbH hielt. Die Gesellschafterversammlung dieser anderen GmbH beschloss am 15.12.2001 eine Vorabausschüttung. Eine entsprechende Gutschrift auf dem Konto der Klägerin erfolgte am 19.12.2001. Das Finanzamt erfasste diesen Betrag im Gewerbesteuermessbetrag als Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb und berief sich auf die Rückwirkung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschrift. Die Hinzurechnung der Streubesitzdividenden bei der Gewerbesteuer wurde durch den Vermittlungsausschluss am 11.12.2001 aufgenommen. Der Bundestag beschloss am 14.12.2001 die Neuregelungen und der Bundesrat stimmte am 20.12.2001 zu. Das Finanzgericht legte dem Verfassungsgericht die Frage vor, ob eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung für den Erhebungszeitraum 2001 angeordnet wurde.

Entscheidung
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass die Rückwirkung der Regelung verfassungsgemäß ist, soweit der Zeitraum nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschlusses am 11.12.2001 betroffen ist. Zu differenzieren ist zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn das Gesetz eine bereits entstandene Steuerschuld ändert. Diese sind generell unzulässig. Entsteht die Steuer erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, wirken Rechtsänderungen nur unecht zurück. Diese sind zulässige, wenn der Steuerpflichtige mit einer entsprechenden Rechtsänderung rechnen muss und daher kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage hat. Bereits der Vorschlag des Vermittlungsausschlusses hatte hier das Vertrauen beseitigt.

Konsequenz
Die Entscheidung verdeutlicht, dass laufende Gesetzgebungsverfahren strengstens zu beobachten sind, da der Vertrauensschutz bereits frühzeitig zerstört werden kann. Betroffene Steuerpflichtige, die die Steuerbescheide für das Jahr 2001 offen gehalten haben, können nach den o. g. Grundsätzen mit Steuerrückzahlungen rechnen.

5. Brennpunkt - Facebook im Arbeitsrecht

Kernfrage
Soziale Netzwerke sind aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Allerdings stellen diese Netzwerke keinen rechtfreien Raum dar. Beleidigungen und ehrverletzende Äußerungen in sozialen Netzwerken sind schnell geschrieben, wirken aber nach. Gerade im Arbeitsrecht stellen solche Äußerungen zunehmend den Ausgangspunkt für Rechtsstreiten dar, die in der Regel darüber geführt werden, ob Äußerungen bei Facebook zur Kündigung führen können. 2 jüngere, nur Tage auseinanderliegende Entscheidungen des Arbeitsgerichts Duisburg einerseits und des Landesarbeitsgerichts Hamm andererseits zeigen, wie unterschiedlich die Gericht mit Facebook umgehen bzw. wie unklar die Rahmenbedingungen noch sind.

Sachverhalte
In dem vom Arbeitsgericht Duisburg zu entscheidenden Fall wurde der Kläger, der eine Vielzahl von Kollegen als Facebook-Freunde hatte, von Kollegen beim Arbeitgeber zu Unrecht denunziert. Diese Kollegen bezeichnete er auf seiner Facebook-Seite ohne namentliche Nennung als "Speckrollen" und "Klugscheißer". Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. In dem beim Landesarbeitsgericht Hamm anhängigen Fall trug ein 26jähriger Auszubildender in einem Medienunternehmen auf seinem Facebook-Profil unter der Rubrik "Arbeitgeber" Folgendes ein: "Menschenschinder und Ausbeuter, Leibeigener Bochum, daemliche Scheiße fuer Mindestlohn -20 %". Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis fristlos.

Entscheidungen
Das Arbeitsgericht Duisburg hielt die Kündigung im ersten Fall für unwirksam. Zur Begründung führte es an, die Beleidigungen "Speckrolle" und "Klugscheißer" seien im Affekt vor dem Hintergrund der falschen Denunziation erfolgt. Zudem habe der Kläger keinen Kollegen namentlich genannt. Das Landesarbeitsgericht Hamm hielt die fristlose Kündigung des Auszubildenden im zweiten Fall auch ohne vorherige Abmahnung für zulässig. Da die Äußerungen einer Vielzahl von Personen im Internet zugänglich gewesen seien, habe der Kläger nicht davon ausgehen dürfen, dass diese keine Auswirkungen auf das Ausbildungsverhältnis haben würden. Auch die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses stünden einer fristlosen Kündigung nicht entgegen, da der 26jährige Kläger seine Äußerungen ausreichend hätte reflektieren können.

Konsequenz
Die Entscheidungen zeigen, wie unterschiedlich die Rechtsprechung noch mit sozialen Netzwerken umgeht. Fest steht insoweit lediglich, dass Äußerungen in solchen Netzwerken über Äußerungen im Kollegenkreis hinaus gehen, weil sie einer Vielzahl von außenstehenden Personen zugänglich sind. Deshalb sind grobe Beleidigungen auch geeignet, Kündigungen - auch fristlose - zu rechtfertigen.

6. Betriebsrat kann als Gremium zivilrechtlich rechtsfähig sein

Kernfrage
Im Arbeitsrecht ist der Betriebsrat als Gremium im Verhältnis zum Arbeitgeber rechts- und vermögensfähig. Das bedeutet zum Beispiel, dass der Betriebsrat als solcher Partei arbeitsgerichtlicher Verfahren sein kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob und inwieweit diese Rechtsfähigkeit auch für das Zivilrecht gilt.

Sachverhalt
Der Betriebsrat, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden hatte einen Beratervertrag abgeschlossen, das Beratungshonorar aber aufgrund verschiedener Einwendungen nicht gezahlt. Das Beratungsunternehmen verklagte darauf hin nicht nur die Betriebsratsmitglieder sondern auch den Betriebsrat als Gremium auf Zahlung. Das zuständige Oberlandesgericht wies die Klage, soweit sie gegen den Betriebsrat als Gremium gerichtet war, als unzulässig ab.

Entscheidung
Der BGH hob diese Entscheidung auf und urteilte, dass der Betriebsrat in entsprechender Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrates im Zivilrecht auch gegenüber Dritten, die außerhalb arbeitsrechtlicher Beziehungen stehen, rechtsfähig sein kann. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die zivilrechtlich getroffene Vereinbarung im Wirkungskreis des Betriebsrats liege. Allerdings gelte diese Rechtsfähigkeit nur in dem Umfang, wie der Betriebsrat seinerseits einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Freistellung von Beratungskosten habe. Dieser bestehe nur, soweit die Beratungsleistungen zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates erforderlich und die Honorare marktüblich gewesen seien. Soweit diese Grenzen überschritten worden seien, sei der Beratungsvertrag unwirksam. In diesem Fall kann eine persönliche Haftung der den Betriebsrat bei Abschluss der Vertrags vertretenden Mitglieder aus den Regelungen über die Vertretung ohne Vertretungsmacht entstehen.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass die Betriebsratstätigkeit nicht gänzlich ohne Haftungsrisiko ist. So bestimmen die Regelungen über den arbeitsrechtlichen Kostenbefreiungsanspruch des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber, inwieweit der Betriebsrat im Zivilrecht rechtsfähig und ein durch den Betriebsrat abgeschlossener Vertrag wirksam ist. Ab der Grenze der Unwirksamkeit beginnen dann die persönlichen Haftungsfragen der Betriebsratsmitglieder.

7. Leiharbeit und Kettenbefristungen im Konzern zulässig

Kernfrage
Die Regelungen zur Leiharbeit haben sich zum 29.4.2011 verschärft. So ist insbesondere die sogenannte dauerhafte Überlassung eines Arbeitnehmers des Entleihers an ein und dasselbe Unternehmen unzulässig. Parallel hatten sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) in diesem Jahr mit der Zulässigkeit der sogenannten Kettenbefristung, also die Aneinanderreihung einer Vielzahl befristeter Arbeitsverträge mit einem Arbeitgeber, beschäftigt. Sie hatten hier die Rahmenbedingungen abgesteckt, unter denen solche Kettenbefristungen zulässig sein können. Das Arbeitsgericht Oberhausen hatte nunmehr in einem Fall zu entscheiden, in dem beide Aspekte zusammentrafen.

Sachverhalt
Der Kläger war auf der Grundlage von insgesamt 10 befristeten Arbeitsverträgen über 7 Jahre hinweg bei einem konzerninternen Verleihunternehmen angestellt, das außer einem Geschäftsführer lediglich Arbeitnehmer zur Überlassung an andere Konzernunternehmen beschäftigte und keine eigene organisatorische Struktur besaß, sondern z. B. die Verwaltung von anderen Konzernunternehmen durchführen ließ. Dabei war der Kläger ausschließlich an andere Konzernunternehmen verliehen worden. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, er stehe in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu dem Konzernunternehmen, an das er zuletzt verliehen war, weil sein eigentlicher Arbeitgeber nur eine Scheinleihe betreibe. Jedenfalls bestehe aber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zum Verleihunternehmen, weil die Kettenbefristung unzulässig gewesen sei.

Entscheidung
Das Gericht wies die Klage ab. Im Hinblick auf die "Scheinleihe" stellte es darauf ab, dass sich der Kläger elf Monate nach Inkrafttreten der Neuregelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes hierauf noch nicht berufen könne. Insoweit fehle es noch an der dauerhaften Überlassung. Aber auch eine rechtsmissbräuchliche Überlassung liege nicht vor. Denn unabhängig davon, dass das Verleihunternehmen in den Konzernverbund eingebunden sei, verleihe es seine Arbeitnehmer an verschiedene (Konzern)Unternehmen, so dass ein Verleihgeschäft vorliege. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht auf eine unzulässige Kettenbefristung berufen. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts reiche alleine die Tatsache, dass es mehrere Befristungen über einen Zeitraum von 7 Jahre gegeben habe, nicht dafür aus, einen Rechtsmissbrauch anzunehmen. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Haustarifvertrag Kettenbefristungen ermögliche.

Konsequenz
Das Urteil ist positiv, aber mit Vorsicht zu nehmen. Zwar kann aus dem Urteil gegebenenfalls geschlossen werden, dass die Rechtsprechung geneigt ist, insbesondere die konzernrechtlichen Privilegierungen der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung auch nach der gesetzlichen Neuregelung aufrecht zu erhalten. Allerdings wird sich dies endgültig erst dann zeigen, wenn sich auch Landesarbeitsgerichte bzw. das Bundesarbeitsgericht entsprechend äußern.

8. Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit zulässig

Kernfrage
In Kurzarbeit beschäftigte Arbeitnehmer erbringen bis hin zu sogenannter "Kurzarbeit null" ihre Arbeitsleistung nur in eingeschränktem Umfang. Gleichzeitig erhalten sie nur ihr anteiliges Gehalt und Kurzarbeitergeld. Unabhängig davon bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert bestehen; auch der Urlaubsanspruch entsteht während der Kurzarbeit weiter. Streitig war aber, ob der arbeitsvertragliche Urlaubsanspruch entsprechend des Kurzarbeitsanteils gekürzt werden konnte. Denn parallel gilt der Grundsatz, dass der Urlaubsanspruch erhalten bleibt, wenn Arbeitnehmer ihren Urlaub aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht nehmen können. Vor diesem Hintergrund hatte der Europäische Gerichtshof über folgende Vorlagefrage des Arbeitsgerichts Passau zu entscheiden: Steht das Unionsrecht nationalem Recht oder Gepflogenheiten in Form eines Sozialplans entgegen, nach denen sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub in der Zeit, in denen sich das Unternehmen in der Krise befindet, im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung verringert?

Sachverhalt
Die Kläger waren beim Arbeitgeber in Kurzarbeit null beschäftigt; die Kläger brauchten nicht zu arbeiten, der Arbeitgeber zahlte keine Löhne. In einem Sozialplan zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat war vereinbart, dass sich der Urlaubsanspruch entsprechend der Arbeitszeitverkürzung verringert. Mit ihren Klagen machten die Kläger die Abgeltung des während der Kurzarbeit nicht genommenen Urlaubs geltend, weil sie ihren Urlaub aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht hätten nehmen können. Sie seien daher mit Arbeitnehmern vergleichbar, die krankheitsbedingt ihren Urlaub nicht nehmen konnten. Diesen stünde eine Urlaubsabgeltung zu.

Entscheidung
Der Europäische Gerichtshof urteilte zugunsten des Arbeitgebers und erachtete die Urlaubsverringerung als zulässig. Die Situation der Kurzarbeit sei nicht mit der eines erkrankten Arbeitnehmers vergleichbar. Vielmehr seien in Kurzarbeit beschäftigte Arbeitnehmer mit teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern vergleichbar, für die eine anteilige Kürzung arbeitsvertraglicher Ansprüche zulässig sei.

Konsequenz
Die Entscheidung gilt nicht nur für die Kurzarbeit null, sondern für alle Formen der Kurzarbeit. Bei Kurzarbeit können arbeitsvertragliche Ansprüche entsprechend der Arbeitszeitverkürzung ebenfalls gekürzt werden.

9. Bedrohung eines Vorgesetzen ist fristloser Kündigungsgrund

Kernfrage
Eine fristlose Kündigung langjährig beschäftigter Arbeitnehmer ist schwierig. In der Regel rechtfertigt die lange Betriebszugehörigkeit eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers mit der Folge, dass bei Bestehen eines Kündigungsgrundes lediglich eine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist möglich ist. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hatte nunmehr darüber zu befinden, ob und unter welchen Voraussetzung eine Bedrohung dieses Kriterium erfüllt.

Sachverhalt
Der Kläger war 25 Jahre beim Arbeitgeber als Straßenbauer beschäftigt. Während der Arbeit bedrohte er, obwohl bereits einmal einschlägig abgemahnt, einen Vorgesetzten mit den Worten: "Ich hau Dir in die Fresse, ich nehme es in Kauf, gekündigt zu werden, der kriegt von mir eine Schönheitsoperation, wenn ich dann die Kündigung kriege, ist mir das egal." Darauf sprach der Arbeitgeber, eine Kommune, die fristlose Kündigung aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage.

Entscheidung
Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Die gegenüber dem Vorgesetzten ausgesprochene Bedrohung erfülle den strafrechtliche Tatbestand der Bedrohung. Eine (weitere) Abmahnung sei nicht mehr erforderlich gewesen; entscheidend sei die Erfüllung des strafrechtlichen Tatbestands. Hinzu komme, dass der Kläger nicht habe beweisen können, zuvor massiv provoziert worden zu sein.

Konsequenz
Auch wenn es das Gericht durch die bereits bestehende einschlägige Abmahnung im konkreten Fall vergleichsweise einfach hatte, zeigt die Entscheidung, dass eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung weiterhin die Erfüllung eines Straftatbestands durch den Arbeitnehmer voraussetzt.

10. Gelangensbestätigung: Praktikable Lösung in Sicht

Rechtslage
Mit Wirkung zum 1.1.2012 wurden die Nachweispflichten für innergemeinschaftliche Lieferungen erheblich verschärft. Die "Gelangensbestätigung" ersetzte die bisher erforderlichen Nachweise. Aufgrund massiver Proteste gegen die kaum praktikable Neuregelung versprach das Bundesfinanzministerium (BMF) Besserung. Den Unternehmen wurde bis zu einer erneuten Änderung der Nachweispflichten zugestanden, die Nachweise noch gemäß der bis zum 31.12.2011 geltenden Rechtslage zu führen. Nun liegt der Entwurf der Neuregelung vor.

Neue Verwaltungsanweisung (Entwurf)
Der neue Entwurf lässt nun neben der Gelangensbestätigung auch alternative Nachweise zu. So können die Nachweise unter bestimmten Voraussetzungen auch durch handelsrechtliche Frachtbriefe, Spediteurbescheinigungen, tracking-and-tracing-Protokolle oder Empfangsbestätigungen von Postdienstleistern geführt werden. Darüber hinaus werden die Anforderungen an die Gelangensbestätigung reduziert.

Konsequenzen
Der Entwurf stellt eine wesentliche Vereinfachung gegenüber dem letzten Versuch des BMF dar. Der Verzicht auf die Gelangensbestätigung als einzig gültigen Nachweis trägt hierzu wesentlich bei. Allerdings ist insoweit Vorsicht geboten, als die Anforderungen an die alternativ zu erbringenden Nachweise zum Teil strikter ausfallen als für die Gelangensbestätigung. So kann bei einer elektronischen Übermittlung der Gelangensbestätigung auf eine Unterschrift des Empfängers verzichtet werden, nicht jedoch, wenn statt dessen der Nachweis über den Frachtbrief erbracht wird. Die Bundessteuerberaterkammer sowie der Deutsche Steuerberaterverband fordern daher in Details noch Nachbesserungen. Die Unternehmen müssen somit die endgültige Regelung abwarten. Da das BMF den Unternehmen bis zum 30.6.2013 die Möglichkeit lässt, weiterhin die Nachweise noch nach der bis zum 31.12.2011 gültigen Rechtslage zu erbringen, dürfte genug Zeit verbleiben, um sich auf die Neuregelung einzustellen.

11. Kfz-Nutzung bei Unternehmen mit steuerfreien und -pflichtigen Umsätzen

Rechtslage
Die private Nutzung betrieblicher Kfz durch die Unternehmer unterliegt der Ertrags- sowie der Umsatzbesteuerung. Regelmäßig ist die Kfz-Nutzung ein Thema bei Betriebsprüfungen. Richtig problematisch wird es jedoch hinsichtlich der Umsatzsteuer, wenn die Unternehmen neben steuerpflichtigen auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerfreie Umsätze erbringen.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen bringt hierzu folgendes Rechenbeispiel: Ein Unternehmer führt in seinem Unternehmen zu 80 % Umsätze aus, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen und zu 20 % Umsätze, die diesen zulassen. Er erwirbt ein Kfz (brutto: 47.600 EUR), dass er zu 60 % für sein Unternehmen und zu 40 % privat nutzt. Er ordnet dies zu 100 % seinem Unternehmensvermögen zu. Es werden ihm aus dem Erwerb 7.600 EUR und aus den laufenden Kosten (2.000 EUR) 380 EUR Vorsteuer in Rechnung gestellt. Hieraus kann er einen Vorsteuerabzug in Höhe von 52 % geltend machen. Auf die unternehmerische Nutzung entfallen hiervon 12 % (20 % von 60 %) und auf die private Nutzung 40 % (100 % von 40 %). Die Umsatzsteuer, die auf die private Nutzung entfällt, beträgt 868 EUR, sofern die 1 %-Methode Verwendung findet (= 19 % v. 47.600 x 12 % abzgl. pauschal 20 % für nicht mit Vorsteuer belastete Kosten). Alternativ kann der Unternehmer den Betrag auch entsprechend der Nutzungsanteile bestimmen (Schätzung). Dies ergäbe eine Umsatzsteuer i. H. v. 760 EUR (19 % v. 40 % v. der Kosten v.10.000 EUR). Die Bemessungsgrundlage von 10.000 EUR setzt sich aus den laufenden Kosten (2.000 EUR) sowie 1/5 der Anschaffungskosten (netto 40.000 EUR) zusammen. Der anteilige Ansatz der Anschaffungskosten orientiert sich an den Vorgaben des Umsatzsteuergesetzes (UStG), nicht an der ertragsteuerlichen AfA.

Konsequenzen
Das Beispiel verdeutlicht, dass die Besteuerung der Kfz-Nutzung unabhängig davon ist, ob der Unternehmer den vollen oder nur teilweisen Vorsteuerabzug bei Erwerb des Kfz geltend machen kann. Auch wenn gemischt genutzte Kfz in der Regel zu 100 % dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden, so ist zu beachten, dass die Unternehmer auch auf die Zuordnung zum Unternehmensvermögen in geeigneten Fällen verzichten können. Ebenso sollte in der Praxis die Schätzung als Alternative zur 1 %-Methode für Zwecke der Umsatzsteuer geprüft werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die anteiligen Anschaffungskosten nicht mehr in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einfließen (in der Regel 5 Jahre nach Erwerb).

12. Kfz-Nutzung: Ist die 1 %-Methode verfassungsgemäß?

Rechtslage
Die private Nutzung betrieblicher Kfz sowohl durch Arbeitnehmer als auch durch die Unternehmer selbst unterliegt der Ertrags- und Umsatzbesteuerung. Zur Ermittlung der auf die private Nutzung entfallenden Steuern wird regelmäßig die 1 %-Methode eingesetzt. Diese zieht als Bemessungsgrundlage den Bruttolistenpreis heran. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die 1 %-Methode wiederholt als zulässige Pauschalierung qualifiziert, auch dann, wenn sie definitiv zu einer Überbesteuerung führt. Der BFH begründete dies mit dem Hinweis, dass Unternehmen die Fahrtenbuchmethode als Alternative zur 1 %-Methode zur Verfügung stehe. Mittlerweile ist aber wieder Bewegung in die Sache gekommen.

Sachverhalt
Das Finanzgericht Niedersachsen hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob die Besteuerung nach der 1 %-Methode noch verfassungsgemäß ist. Der Kläger wandte sich gegen den Ansatz des Bruttolistenpreises, da dieser bei Kauf eines Kfz nicht die Regel, sondern aufgrund der branchenüblichen Rabatte, die Ausnahme darstelle.

Entscheidung
Die Richter wiesen die Klage ab, ließen jedoch die Revision beim BFH zu, die mittlerweile anhängig ist.

Konsequenzen
Es ist aktuell zu prüfen, ob aufgrund des anhängigen Verfahrens Einspruch gegen die Besteuerung der Kfz-Nutzung auf Basis der 1 %-Methode eingelegt werden soll. Die Erfolgsaussichten des Verfahrens sind angesichts der bisherigen Rechtsprechung des BFH allerdings fraglich. Dem steht gegenüber, dass die 1 %-Methode häufig zu einer Überbesteuerung führt, so dass sich ein Verfahren lohnen würde. Wer sich nicht auf das Verfahren verlassen will, muss weiterhin ein Fahrtenbuch führen. Da dies jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden ist und häufig schon bei kleinen Mängeln durch die Finanzverwaltung verworfen wird, greift die Praxis selten hierauf zurück.

13. Neues zur Geschäftsveräußerung im Ganzen

Kernaussage
Wird ein Betrieb bzw. ein Teilbetrieb im Ganzen übertragen, so wird dies als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) behandelt.

Rechtslage
Nach Ansicht der Finanzverwaltung setzte die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber übertragen werden. Für den Bundesfinanzhof (BFH) war hingegen entscheidend, dass die übertragenen Vermögensgegenstände wirtschaftlich eine Fortführung des Betriebes ermöglichen. Die Finanzverwaltung ließ daher auch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zu, wenn das Betriebsgrundstück nicht auf den Erwerber übertragen, sondern langfristig (z. B. 8 Jahre) an den Erwerber vermietet wurde. In Anlehnung an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der BFH nun seine Auffassung geändert. Demnach steht auch ein unbefristet abgeschlossener Mietvertrag einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht entgegen, auch wenn dieser kurzfristig kündbar ist.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Rechtsprechung des BFH übernommen.

Konsequenzen
Das BMF wendet die Rechtsprechung in allen offenen Fällen an. Für Übertragungen vor dem 1.1.2013 wird es allerdings nicht beanstandet, wenn die beteiligten Unternehmen bei Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen im Rahmen unbefristeter Miet- und Pachtverträge davon ausgehen, dass keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt. Zu beachten ist, dass zwar die Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung nicht gegen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen spricht, die tatsächliche kurzfristige Kündigung durch den Erwerber in der Regel hingegen schon. Denn unverändert ist Voraussetzung für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, dass der Erwerber beabsichtigt, das Unternehmen fortzuführen und nicht kurzfristig abzuwickeln. Auch nach Änderung der Verwaltungsauffassung wird es unverändert schwierig bleiben, zu bestimmen, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt. Da eine Fehleinschätzung diesbezüglich sowohl für den Erwerber als auch für den Veräußerer erhebliche steuerliche Konsequenzen haben kann, sollte steuerlicher Rat bei Abschluss eines derartigen Vertrages eingeholt werden. Um Schäden zu vermeiden bietet es sich an, geeignete Umsatzsteuerklauseln in den Vertrag aufzunehmen.

14. Korrektur von Rechnungen bei Umkehr der Steuerschuldnerschaft

Rechtslage
Was früher als Ausnahmevorschrift angedacht war, hat sich mittlerweile in vielen Bereichen zur Regel entwickelt: die Umkehr der Steuerschuldnerschaft. Ob bei Bauleistungen, Leistungen im Ausland ansässiger Unternehmen, Schrottlieferungen etc., häufig schuldet nicht der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer, sondern der Leistungsempfänger. Die Abrechnung durch den leistenden Unternehmer muss netto erfolgen; dieser muss auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft hinweisen. Nicht selten wird dies in der Praxis übersehen und Umsatzsteuer ausgewiesen. Das hat zur Folge, dass der leistende Unternehmer die falsch ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet. Der Leistungsempfänger hat hieraus keinen Vorsteuerabzug und muss die von ihm geschuldete Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Hier ist eine Korrektur angebracht, nur wie?

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe hat sich der Problematik angenommen. Demnach besteht eine Korrekturanspruch für den leistenden Unternehmer erst dann, wenn die zu viel vom Leistungsempfänger eingenommene Umsatzsteuer wieder an diesen zurückbezahlt wird.

Konsequenzen
Wie auch in anderen Fällen, z. B. bei Überzahlungen, setzt die Korrektur der Umsatzsteuer die Erstattung des zu viel erhaltenen Betrags voraus. Hierdurch wird verhindert, dass der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer doppelt kassiert, einmal vom Leistungsempfänger und anschließend durch Korrektur der Rechnung ohne Rückzahlung an den Leistungsempfänger. Allerdings hilft die Regelung dem Leistungsempfänger nicht, sofern er Probleme hat, seinen Anspruch auf Korrektur der Rechnung durchzusetzen. Denn für den Rechnungsaussteller ist es unerheblich, ob er die Umsatzsteuer gesetzlich schuldet oder aufgrund des fehlerhaften Ausweises. Deshalb sollten Eingangsrechnungen bei den betroffenen Leistungen bzw. den entsprechenden Branchen gründlich geprüft werden, um eine unberechtigte Auszahlung zu verhindern. Hierbei ist die Vereinfachungsregelung des Abschn. 13.8 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) zu beachten. Demnach wird es in bestimmten Fällen nicht beanstandet, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft ausgehen, auch wenn sich dies später als falsch herausstellt. Das setzt allerdings voraus, dass der Leistungsempfänger die einbehaltene Umsatzsteuer korrekt ans Finanzamt abführt.

15. Sonderabschreibungen auf Bodenschätze zulässig?

Kernaussage
Die zeitlich unbefristete Einräumung der Abbaurechte kann wirtschaftliches Eigentum des Abbauunternehmers begründen, wenn er gewillt ist, die Vorkommen vollständig zu heben.

Sachverhalt
Die klagende GmbH erwarb das sogenannte Bergwerkseigentum bezüglich 13 Bergwerksfeldern in 1992 durch Kauf. Dieses Bergwerkseigentum berechtigte sie, die zur Herstellung von Schotter, Splitt, Kies und Kiessand notwendigen Rohstoffe abzubauen. Dem Verkäufer war im Kaufvertrag für den Fall ein Rücktrittsrecht vorbehalten, dass die Klägerin nicht binnen dreier Jahre mit dem Abbau begann. Die Klägerin nahm in der Folgezeit Sonderabschreibungen auf das Bergwerkseigentum vor. Dies verweigerte das Finanzamt. Auch die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) gab schließlich der Klägerin Recht. Durch den Kaufvertrag habe sie das Abbaurecht erworben. Hierfür seien Sonderabschreibungen zwar nicht möglich, weil es sich bei dem reinen Abbaurecht um immaterielle Wirtschaftsgüter handele. Die Klägerin habe aber zugleich wirtschaftliches Eigentum an den noch im Boden ruhenden Bodenschätzen erworben. Diese seien als unbewegliche Wirtschaftsgüter einer Sonderabschreibung zugänglich. Durch den Kaufvertrag habe die Klägerin die Sachherrschaft über die Bodenschätze in einer Weise erlangt, die es ihr ermögliche, den rechtlichen Eigentümer für die Dauer der gewöhnlichen Nutzung von den Bodenschätzen auszuschließen und sei damit wirtschaftlich Eigentümerin der Bodenschätze geworden. Insbesondere stünde einer derartigen Annahme nicht das Rücktrittsrecht des Verkäufers entgegen. Insoweit sei ein für solche Fälle typischer Geschehensablauf zugrunde zu legen. Bei der Käuferin als Abbauunternehmen sei es von vornherein anzunehmen gewesen, dass sie das Bergwerkseigentum zum Zwecke des Abbaus von Bodenschätzen erwarb. Insofern war bei typisierender Betrachtung nicht damit zu rechnen, dass der Verkäufer von seinem Rücktrittsrecht würde Gebrauch machen können.

Konsequenz
Das Urteil reiht sich in eine lange Folge höchstrichterlicher Urteile zum wirtschaftlichen Eigentum ein. Abermals stellt der BFH die Voraussetzungen wirtschaftlichen Eigentums klar. Hat jemand Sachherrschaft über Wirtschaftsgüter in einer Weise inne, die es ihm ermöglicht, bei typischem Geschehensablauf den rechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut auszuschließen, ist er wirtschaftlicher Eigentümer und daher wie der Eigentümer zu behandeln.

16. Markt- und Flexibilitätsprämie nach dem EEG in der Umsatzsteuer

Rechtslage
Zum 1.1.2012 wurde das EEG (Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien) neu gefasst. U. a. wurden die Markt- sowie die Flexibilitätsprämie eingeführt. Die Marktprämie wird Anlagenbetreibern gewährt, die ihren Strom direkt vermarkten. Der Strom wird dabei nicht an den Netzbetreiber veräußert, sondern an andere Abnehmer. Die Flexibilitätsprämie kann von Betreibern von Biogasanlagen neben der Marktprämie in Anspruch genommen werden. Mit der Prämie soll ein Anreiz geschaffen werden, zusätzliche Kapazitäten bereit zu stellen, die jedoch nicht permanent abgerufen werden. Ziel der Prämie ist es, flexibler auf die stark schwankende Nachfrage nach Strom reagieren zu können.

Neue Verwaltungsanweisung
Nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums (BMF) handelt es sich sowohl bei der Markt- als auch bei der Flexibilitätsprämie um echte nicht steuerbare Zuschüsse.

Konsequenz
Durch das Schreiben des BMF wird nun klargestellt, dass die Prämien nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Dies war in der Finanzverwaltung bisher nicht ganz unumstritten. So hatte die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen noch zu Beginn des Jahres die Prämien als steuerpflichtiges Entgelt von dritter Seite qualifiziert. Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass das BMF eine Übergangsregelung gewährt. So wird für Stromlieferungen, die vor dem 1.1.2013 erfolgen, der Vorsteuerabzug gewährt, wenn die Prämien mit Ausweis von Umsatzsteuer abgerechnet werden.

17. Schulessen und Umsatzsteuer

Kernaussage
Schulessen soll gut und günstig sein. Es stößt daher allgemein auf Unverständnis, wenn hierfür Umsatzsteuer abzuführen ist.

Auffassung des Bundesfinanzministeriums
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat aktuell in einer Pressemitteilung in groben Zügen dargestellt, unter welchen Bedingungen Schulessen steuerfrei bzw. zum ermäßigten Steuersatz (7 %) an die Schüler abgegeben werden kann. Steuerfrei ist das Schulessen, wenn die Abgabe der Speisen und Getränke durch eine gemeinnützige Einrichtung erfolgt, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen ist. Ferner kommt eine Steuerbefreiung für Personen und Einrichtungen in Betracht, die überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke aufnehmen. Es ist nicht erforderlich, dass den Jugendlichen Unterkunft und volle Verpflegung gewährt wird. Unter diese Befreiung fallen auch Schulen, allerdings muss die Verpflegungsleistung durch den Schulträger erfolgen. Erfolgt die Lieferung der Speisen durch eine gemeinnützige Körperschaft im Rahmen ihres Zweckbetriebes, unterliegt dies dem ermäßigten Steuersatz. Als Beispiel führt das BMF hier die Grundversorgung der Schüler mit Essen durch gemeinnützige Mensa- bzw. Schulfördervereine an. Wird das Essen allerdings durch Dritte, z. B. Cateringunternehmen, bereitgestellt, kommt eine Steuerbefreiung nicht in Betracht. Der ermäßigte Steuersatz greift dann nur, wenn der Caterer lediglich Lebensmittel liefert.

Konsequenzen
Es ist ersichtlich, dass die Umsatzbesteuerung des Schulessens wesentlich davon abhängt, von wem es angeboten wird. Ein und dasselbe Schulessen kann je nach Konstellation steuerfrei sein bzw. der Umsatzsteuer zu 7 % oder 19 % unterliegen. Ursächlich hierfür ist das im Bereich der Steuerbefreiungen bzw. -ermäßigungen unsystematische und komplexe Umsatzsteuergesetz (UStG). Insgesamt vermittelt die Pressemitteilung den Eindruck, dass Schulessen regelmäßig begünstigt ist. Dies ist jedoch nicht ganz korrekt. Soweit die Bereitstellung des Schulessen z. B. von Caterern übernommen wird, dürfte dies angesichts der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH) fast immer dem Regelsteuersatz (19 %) unterliegen. Den Verantwortlichen einer Schule, die das Schulessen organisieren, kann daher nur geraten werden sich hier steuerlich beraten zu lassen, um nicht letztendlich selbst für Fehler gerade stehen zu müssen.

18. Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

Kernaussage
Unternehmern, die nicht nachweisen können, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen, wird die Umsatzsteuerbefreiung grundsätzlich versagt. Allerdings wird dem Unternehmer Vertrauensschutz gewährt, wenn er die Steuerbefreiung aufgrund unrichtiger Angaben seines Abnehmers beansprucht hat und er dies bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte.

Sachverhalt
In der Praxis scheitert die Gewährung des Vertrauensschutzes regelmäßig daran, dass die Lieferanten nicht die geforderte Sorgfalt beachten. Hier erwartet die Rechtsprechung zumindest, dass alle vom Umsatzsteuergesetz (UStG) bzw. von der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) geforderten Belege vorhanden sind und geprüft wurden. So kann der Vertrauensschutz z. B. schon daran scheitern, dass auf der Rechnung der Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung fehlt. Die Finanzverwaltung ist in der Regel diesbezüglich noch restriktiver als die Rechtsprechung, so dass sich die Beteiligten häufig vor dem Finanzgericht (FG) wiedersehen.

Entscheidung
Das Niedersächsische FG hatte jetzt über den Vertrauensschutz für die Lieferung von 2 Kfz zu urteilen. Das erste Kfz wurde von einem Bevollmächtigten des Abnehmers abgeholt. Dieser bestätigte schriftlich, dies in einen anderen Mitgliedstaat zu bringen. Das Finanzamt versagte den Vertrauensschutz, da die Unterschrift unter der Bestätigung von der auf dem Ausweis des Bevollmächtigten abwich. Dem widersprach das FG, da es einen Vergleich der Unterschriften für überzogen hält. Das zweite Kfz wurde durch einen Spediteur transportiert. Gemäß dem als Nachweis dienenden CMR Frachtbrief war das Kfz nach Frankreich gelangt, nach der Rechnung jedoch nach Italien. Aufgrund dieses Widerspruches verwehrte das Finanzamt den Vertrauensschutz, das FG folgte dieser Auffassung.

Konsequenz

Die Entscheidung betrifft Fälle, die typisch für die Praxis sind. Zwar ergeht das Urteil zur Rechtslage bis zum 31.12.2011, es wird aber auch für die Neuregelung ab 2012 Bedeutung haben, deren zentrales Element die Gelangensbestätigung ist. Zum einen lässt das Bundesfinanzministerium (BMF) den Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen gemäß der alten Rechtslage voraussichtlich noch bis zum 30.6.2013 zu. Zum anderen hat das BMF aktuell einen neuen Entwurf zur Änderung der UStDV vorgelegt, der neben der Gelangensbestätigung auch andere Nachweise, z. B. den CMR-Frachtbrief, zulässt. Der Ausgang des mittlerweile beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Rechtsstreits wird daher zu beachten sein.

19. Haftungsvoraussetzungen für Aufsichtsräte einer AG

Kernaussage
Führt das Verschweigen der Zahlungsunfähigkeit einer Aktiengesellschaft (AG) dazu, dass sich ein Anleger zum Erwerb objektiv wertloser Aktien entscheidet, kann eine sittenwidrige Schädigung vorliegen. Für eine Beteiligung an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung bedarf es einer konkreten Feststellung der Kenntnis der Tatumstände. Eine Vermutung der Kenntnis eines Aufsichtsratsmitglieds von denjenigen Tatsachen, über die der Aufsichtsrat pflichtgemäß durch den Vorstand unterrichtet werden muss, kommt nicht in Betracht.

Sachverhalt
Eine AG betrieb Anlagenberatung und -vermittlung, deren Gegenstand im Wesentlichen Aktien zweier Firmen waren, die im September 2000 in Insolvenz fielen. Dies führte zum umfassenden Wertverlust sämtlicher von der AG gehandelten Fremdaktien. Da sie mit den von ihr vermittelten Erwerbern der Fremdaktien eine Ankaufsverpflichtung vereinbart hatte, hätte die AG ca. 40 Mio. DM aufbringen müssen. Hierfür reichten die Mittel nicht aus, weshalb das Kapital erhöht und neue Aktien der AG verkauft wurden. Dieses "Geschäftsmodell" hatte der Vorstandsvorsitzende initiiert. Im Oktober 2000 stellte die Bank Insolvenzantrag gegen die AG. Einer der Beklagten wurde im März 2001 nach seiner Tätigkeit als Angestellter in den Vorstand der AG berufen. Ein weiterer Beklagter war seit Mai 2000 Mitglied des Aufsichtsrats und zugleich Rechtsanwalt, weshalb er die AG im Insolvenzverfahren vertrat. Ein dritter Beklagten war der Steuerberater der AG und erstellte einen Bericht über die Prüfung der Vermögenslage, der zur Rücknahme des Insolvenzantrags führte. Der Kläger erwarb ab 2001 Aktien, die heute wertlos sind, weshalb er die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen will.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) verwies die Sache zunächst an die Unterinstanz zurück und führte folgendes aus: Die Haftung des beklagten Vorstandsmitglieds aufgrund gemeinschaftlicher vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung mit dem Vorstandsvorsitzenden scheitere daran, dass das Untergericht keine Feststellungen zu den subjektiven Erfordernissen einer Teilnahme getroffen habe. Ebenso seien keine Feststellungen zur Kenntnis des beklagten Aufsichtsratsmitglieds getroffen worden. Denn eine Vermutung für die Kenntnis des Aufsichtsratsmitglieds von denjenigen Tatsachen, über die der Aufsichtsrat pflichtgemäß durch den Vorstand unterrichtet werden muss, komme nicht in Betracht. Schließlich ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Haftung des beklagten Steuerberaters. Dieser dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, dass die ihm mitgeteilten Zahlen zutreffend seien, es sei denn, es seien Umstände ersichtlich, die gegen die Richtigkeit sprächen.

Konsequenz
Wird ein sittenwidriges Handeln als solches erkannt, ist ein sofortiges Handeln, wie ggf. die Amtsniederlegung, zur Vermeidung einer Haftung erforderlich.

20. Steuerfreie Übertragungen von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen

Kernproblem
Überlässt der Gesellschafter einer Personengesellschaft dieser Wirtschaftsgüter zur Nutzung (z. B. Grundstücke), stellen die Wirtschaftsgüter regelmäßig Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft dar. Überträgt er diese Wirtschaftsgüter unentgeltlich und/oder gegen Gewährung von Gesellschafterrechten auf die Gesellschaft, so ist der Vorgang zwingend zu Buchwerten durchzuführen. Bei einer entgeltlichen Veräußerung hingegen sind die stillen Reserven vollumfänglich aufzudecken. Unklar war bislang, wie die teilentgeltliche Veräußerung, bei der das gezahlte Entgelt unterhalb des Verkehrswerts liegt, steuerlich zu beurteilen ist.

Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr als Kommanditist zu 70 % an einer gewerblichen GmbH & Co. KG beteiligt. Das der GmbH & Co. KG vermietete bebaute Grundstück stellte unzweifelhaft Sonderbetriebsvermögen dar (Buchwert in der Sonderbilanz: ca. 1,0 Mio. EUR). Im Streitjahr übertrug der Kläger das Grundstück, das einen Verkehrswert von rund 1,5 Mio. EUR und somit stille Reserven von 0,5 Mio. EUR hatte, auf die GmbH & Co. KG. Diese übernahm im Gegenzug die auf dem Grundstück lastende Verbindlichkeit von 0,3 Mio. EUR. Im Verhältnis zum Verkehrswert machte die übernommene Verbindlichkeit somit 20 % aus. Nach Auffassung des Finanzamts waren stille Reserven im Umfang von 20 % (0,1 Mio. EUR) in der Sonderbilanz des Klägers aufzudecken. Einspruch und Klage des Kommanditisten hatten keinen Erfolg.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) gab schließlich doch dem Kläger Recht. Nach Auffassung der Richter ist bei der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen von einer Gewinnrealisierung abzusehen, wenn das Entgelt hinter dem Buchwert zurückbleibt. Eine anteilige Gewinnrealisierung komme nicht in Betracht. Auch sei eine steuerpflichtige Entnahme abzulehnen, da bei Übertragungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen das übertragene Wirtschaftsgut das Betriebsvermögen der Personengesellschaft zu keinem Zeitpunkt verlasse.

Konsequenz
Die Entscheidung des BFH stellt eine konsequente Fortsetzung der jüngst angelegten Rechtsprechung des zuständigen Senats dar. Das Gericht widerspricht dabei explizit der Auffassung des im Dezember 2011 veröffentlichten BMF-Schreibens. Steuerpflichtige können somit zukünftig Wirtschaftsgüter ihres Sonderbetriebsvermögens auch bei teilentgeltlichen Rechtsgeschäften steuerneutral auf die Personengesellschaft übertragen, wenn und soweit das Entgelt unterhalb des Buchwerts des übertragenen Wirtschaftsguts liegt.

21. Steuerfreie Veräußerung nach vorheriger Teilwertabschreibung

Kernproblem
Ein bei einer Kapitalgesellschaft durch die Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen entstehender Gewinn ist grundsätzlich zu 95 % steuerbefreit. Die Steuerbefreiung greift jedoch ausnahmsweise nicht, wenn und soweit die Beteiligung an der zu veräußernden Kapitalgesellschaft zuvor steuerwirksam abgeschrieben wurde. Die frühere Abschreibung wird somit bis zur Höhe des Veräußerungspreises de facto gewinnerhöhend berücksichtigt. Zur Vermeidung dieser steuerpflichtigen "Zuschreibung" wurden in der Praxis diverse Gestaltungsmodelle diskutiert, von denen nunmehr eine einer erstmaligen finanzgerichtlichen Prüfung unterlag.

Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, die im Streitjahr 2001 jeweils alleiniger Gesellschafter von 2 weiteren GmbHs (GmbH 1 und GmbH 2) war. Auf die Beteiligung an der GmbH 1 wurden in den Vorjahren insgesamt Abschreibungen von fast 17 Mio. EUR steuerwirksam vorgenommen. Mit Wirkung zum 31.12.2001 wurde GmbH 1 steuerneutral auf GmbH 2 verschmolzen. Anschließend veräußerte die Klägerin die Anteile an der übernehmenden GmbH 2. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat die Finanzverwaltung unter Hinweis auf das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) die Auffassung, dass in Höhe der früher vorgenommenen steuerwirksamen Abschreibung ein steuerpflichtige Hinzurechnung bei der Klägerin vorzunehmen sei. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren reichte die GmbH Klage beim Finanzgericht (FG) Münster ein.

Entscheidung
Nach Auffassung der Richter ist die Klage begründet, so dass eine Hinzurechnung bei der Mutter-GmbH zu unterbleiben hat. Die von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung sei durch den Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Auch im Wege einer extensiven Auslegung sei keine andere Interpretation möglich. Vielmehr stände eine solcher Auslegung das Verbot der steuerverschärfenden Analogie entgegen.

Konsequenz
Das Urteil erging noch zum alten Umwandlungssteuergesetz, dass nur noch für Übertragungen, die vor dem 13.12.2006 erfolgt sind, gilt. Die Verschmelzung einer Verlustgesellschaft auf eine Schwestergesellschaft ist seitdem steuerlich deutlich nachteiliger, da Verlustvorträge der übertragenen Gesellschaft grundsätzlich untergehen. Entsprechende Gestaltungen dürften daher neuerdings an Attraktivität verloren haben. Auch ist das letzte Wort im Streitfall noch nicht gesprochen, da die Richter die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen haben.

22. Steuerneutrale Generationennachfolge bei Personengesellschaften

Kernproblem
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann seinen Mitunternehmeranteil steuerneutral auf ein Kind übertragen, wenn er neben dem Gesellschaftsanteil auch die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens mit überträgt. Ebenfalls steht es dem Gesellschafter frei, die Wirtschaftsgüter seines Sonderbetriebsvermögens bei einer Personengesellschaft steuerneutral in das Gesamthandsvermögen einer anderen Personengesellschaft zu übertragen. Streitig war bislang, ob die unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils auf die nachfolgende Generation auch dann steuerneutral möglich ist, wenn vorher bzw. zeitgleich wesentliche Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens ihrerseits steuerneutral übertragen wurden.

Sachverhalt
Der Vater war alleiniger Kommanditist einer Spedition in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gewesen und hatte der KG das in seinem Eigentum stehende Betriebsgrundstück, welches unzweifelhaft wesentliches Sonderbetriebsvermögen darstellte, vermietet. Im Oktober 2002 schenkte der Vater seiner Tochter zunächst 80 % seiner Anteile an der KG sowie die gesamten Anteile an der Komplementär-GmbH. Anschließend gründete der Vater eine zweite GmbH & Co. KG, auf die er dann im Dezember 2002 das Betriebsgrundstückstück übertrug. Zeitgleich wurden auch die restlichen KG-Anteile auf die Tochter übertragen. Nach Auffassung des Finanzamts konnte lediglich die Übertragung des Grundstücks steuerneutral erfolgen, nicht aber die Übertragungen an die Tochter. Hiergegen richtete sich die Klage der Spedition GmbH & Co. KG.

Entscheidung
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) sieht das Einkommensteuergesetz für alle vorgenommenen Übertragungen für sich genommen die Steuerneutralität vor. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung geht die Steuerneutralität auch nicht verloren, wenn mehrere Übertragungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden. Die anderslautende Verwaltungsanweisung, wonach die Ausgliederung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögen in eine anderes Betriebsvermögen bewirke, dass der Gesellschaftsanteil mit dem evtl. noch verbliebenen weiteren Sonderbetriebsvermögen nicht mehr zum Buchwert übertragen werden könne, sei abzulehnen.

Konsequenzen für die Praxis
Das Urteil des BFH ist überraschend, aus Sicht der Steuerpflichtigen jedoch zu begrüßen, öffnet es doch weitere Möglichkeiten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Übertragung des Sonderbetriebsvermögen selbst nicht steuerneutral möglich ist (z. B. durch Entnahme ins Privatvermögen) oder das Sonderbetriebsvermögen veräußert wird. Hier hat der BFH ausdrücklich offen gelassen, ob eine steuerneutrale Übertragung des Mitunternehmeranteils möglich ist.

23. Wer vertritt eine AG im Rechtsstreit gegen eine GmbH?

Kernaussage
Eine Aktiengesellschaft (AG) wird gegenüber (gegenwärtigen oder ehemaligen) Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich durch den Aufsichtsrat vertreten. Die gleiche Vertretungsregelung für die AG gilt gegenüber einer anderen Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein (früheres) Vorstandsmitglied der AG ist, und mit diesem wirtschaftlich identisch ist.

Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafterin und Geschäftsführerin eine natürliche Person ist. Seit April 2007 war diese für die beklagte AG beratend tätig; sie wurde im Juli 2008 zum weiteren Vorstandsmitglied der AG bestellt und im Dezember 2008 mit sofortiger Wirkung abberufen. Die Parteien streiten insbesondere darum, ob der in diesem Zeitraum erbrachten Beraterleistung ein wirksamer Beratervertrag zugrunde liegt. Der Vertrag wurde nämlich im November 2008 auf Seiten der GmbH durch die Gesellschafter-Geschäftsführerin und auf Seiten der AG durch die weiteren Vorstandsmitglieder unterzeichnet. Die GmbH erhob gegen die AG, "gesetzlich vertreten durch deren Vorstandsvorsitzenden", Klage und begehrt Zahlung der Vergütung in Höhe von rund 385.000 EUR. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung
Die Klage ist bereits unzulässig, da die AG nicht nach den gesetzlichen Vorschriften vertreten ist. Bei Streitigkeiten mit einem amtierenden oder ehemaligen Vorstandsmitglied ist gesetzlicher Vertreter der AG deren Aufsichtsrat. Dies gilt auch in einem Prozess zwischen einer AG und einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein früheres Vorstandsmitglied der AG ist und Ansprüche aus einem geschlossenen Beratervertrag streitig sind. Insofern ist von einer wirtschaftlichen Identität auszugehen. Darüber hinaus gilt die Regelung, dass eine AG gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich durch den Aufsichtsrat vertreten wird, für alle Verträge oder Rechtsstreitigkeiten zwischen der AG und ihrem Vorstandsmitglied, soweit sie einen sachlichen Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit aufweisen. Dies ist insbesondere bei Beraterverträgen der Fall.

Konsequenz
Die Grundsätze des Urteils sind nur auf Fälle anzuwenden, in denen ein Dritter mit dem Vorstandsmitglied wirtschaftlich identisch ist, insbesondere wenn es sich und eine Ein-Person-Gesellschaft des Vorstandsmitglieds handelt. Bei einer lediglich maßgeblichen Beteiligung des Vorstandsmitglieds oder in sonstigen Fällen ist die Annahme der wirtschaftlichen Identität restriktiv zu handhaben.

24. Rentenbeiträge sinken zum 1.1.2013 auf 18,9 %

Hintergrund
Im System der gesetzlichen Rentenversicherung ist eine so genannte Nachhaltigkeitsrücklage verankert. Diese Rücklage dient dazu, die Rentenansprüche zu sichern. Sinkt die Nachhaltigkeitsrücklage unter einen Wert von 0,2 % der Gesamtrentenansprüche eines Monats muss der Rentenbeitrag erhöht werden. Erreicht die Nachhaltigkeitsrücklage einen Wert von 1,5 % der Gesamtrentenansprüche eines Monats muss der Rentenbeitrag gesenkt werden.

Entscheidung
Aufgrund der derzeit guten wirtschaftlichen Entwicklung sind die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung gestiegen, so dass der Rentenbeitrag, der jeweils zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen wird, auf 18,9 % herabgesetzt wird. Damit korrespondiert eine Herabsetzung des Rentenbeitrages in der Knappschaftsversorgung auf 25,1 %. Nicht ausgesetzt sind gesetzlich vorgesehene Erhöhungen der Beitragsbemessungsgrenze.

25. Keine Kündigung eines alkoholkranken AN trotz Rückfällen

Kernfrage
Einem Arbeitnehmer, der trotz Verbots im Dienst Alkohol trinkt, kann gekündigt werden. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass er alkoholabhängig, also suchtkrank ist. Dann gelten die Regelungen über die Zulässigkeit krankheitsbedingter Kündigungen. Insbesondere können Therapien eine Kündigung unwirksam werden lassen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob die Kündigung gegenüber einem alkoholkranken Arbeitnehmer dann (wieder) wirksam sein kann, wenn dieser trotz Therapie wieder rückfällig wird.

Sachverhalt
Der Kläger war Elektriker. Nachdem seine Alkoholsucht bekannt wurde, schloss er mit dem Arbeitgeber eine Therapievereinbarung, in der er sich zu einer ambulanten Therapie verpflichtete. Ungeachtet dessen wurde der Kläger zweimal rückfällig. Nach dem zweiten Rückfall kündigte der Arbeitgeber und machte unter anderem geltend, dass das Risiko eines alkoholbedingten Unfalls angesichts der Tätigkeit des Klägers mit Strom für sich und andere Arbeitnehmer zu hoch sei.

Entscheidung
Das Gericht hielt die Kündigung für unwirksam, weil die Grundsätze für krankheitsbedingte Kündigungen auch bei bzw. nach fehlgeschlagener Therapie anwendbar bleiben. Danach konnte das Gericht offen lassen, ob die Rückfälle für sich genommen dazu führen, dass eine negative Gesundheitsprognose zu erwarten sei. Jedenfalls scheitere die krankheitsbedingte Kündigung daran, dass eine Beeinträchtigung des Betriebes nicht vorgelegen habe. Denn der Arbeitgeber konnte nichts dazu vortragen, dass es bei Abschluss der Therapievereinbarung oder danach zu einer tatsächlichen alkoholbedingten Gefährdung im Beruf gekommen war. Außerdem seien auch keine hohen Lohnfortzahlungskosten entstanden.

Konsequenz
Auch wenn man anerkennt, dass es das Bestreben ist, alkoholkranke Arbeitnehmer möglichst lange im Berufsleben zu lassen, hat die Entscheidung im Hinblick auf die Gefahrengeneigtheit der Tätigkeit einen "Beigeschmack". Man kann die Entscheidung so verstehen, dass eine Kündigung erst dann möglich wird, wenn es alkoholbedingt zu einer echten Gefährdungslage für den Arbeitnehmer oder andere gekommen ist.

26. Aufrechnung im Insolvenzverfahren

Kernaussage
Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt oft nur dann eine aussichtsreiche Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann. Die Insolvenzordnung lässt eine solche Aufrechnung im Insolvenzverfahren (und damit eine abgesonderte Befriedigung eines Insolvenzgläubigers) zwar grundsätzlich zu. Sie verbietet sie jedoch, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist. Das war nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann nicht der Fall - eine Aufrechnung war also zulässig -, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steuerfestsetzung beruhte, insbesondere etwa einer Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichwerden des Entgelts. Der BFH hat jetzt diese Rechtsprechung in 2 Urteilen aufgegeben. Eine Aufrechnung ist nur noch dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wie es bei der Berichtigung von Vorsteuerbeträgen zu Lasten des Insolvenzschuldners häufig der Fall sein wird.

Sachverhalt
In beiden entschiedenen Fällen klagte der Insolvenzverwalter einer jeweils in 2002 insolvent gewordenen GmbH. Im ersten Fall war eine Umsatzsteuerberichtigung zu Gunsten der GmbH erforderlich geworden, weil deren Geschäftspartner nach Insolvenzeröffnung ebenfalls insolvent und das Leistungsentgelt somit uneinbringlich geworden war. Das beklagte Finanzamt hatte die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Ansprüchen aus März, April und September 2001 erklärt. Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, eine Umsatzsteuerforderung sei erst dann entstanden, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht sei. Dies sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass eine Aufrechnung gesetzlich verboten sei. Der BFH gab dem Insolvenzverwalter Recht. Im zweiten Fall hatte die seit 2002 insolvente GmbH in 2001 Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, die aufgrund hoher Vorsteuern in allen Monaten zu Vergütungen führten. Das Finanzamt setzte Umsatzsteuer fest und meinte, die in den Anmeldungen Januar bis August 2001 berücksichtigten Vorsteuern seien aufgrund des Insolvenzeröffnungsantrags im Schätzwege durch einen prozentualen Abschlag zu berichtigen. In entsprechenden Umbuchungsmitteilungen aus Dezember 2001 und Februar 2002 verrechnete das Finanzamt die Umsatzsteuerforderungen mit den für September bis November 2001 und Dezember 2001 angemeldeten Vergütungsforderungen. Nach Einwendungen des Insolvenzverwalters hiergegen erließ das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid und stellte das Erlöschen der Vergütungsansprüche fest. Diesmal gab der BFH dem Finanzamt Recht.

Entscheidung
Im ersten Fall wurde eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten der insolventen GmbH deshalb erforderlich, weil dessen Geschäftspartner (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der GmbH) ebenfalls in Insolvenz geraten und das von diesem geschuldete Leistungsentgelt damit uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers durfte das Finanzamt Insolvenzforderungen nicht verrechnen. Im zweiten Fall urteilte der BFH, einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des Insolvenzverfahrens erklärten Aufrechnung bedürfe es dann nicht, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden und deshalb nach der Rechtsprechung des BFH gegeneinander zu verrechnen seien (sog. Saldierung). Hier seien die Aufrechnungsverbote nicht zu beachten. Da diese Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn vor Ablauf des betreffenden Steuerjahres das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, greife jene Verrechnung gleichsam automatisch; ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung sei damit erledigt.

Konsequenz
Die Finanzverwaltung darf künftig nur noch mit eigenen Forderungen aufrechnen, wenn der Berichtigungstatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist.

27. Kommunale Kindertagesstätten begründen einen Betrieb gewerblicher Art

Kernproblem
Kindertagesstätten (Kitas) werden vielfach von Kommunen als Ausfluss ihres hoheitlichen Tätigwerdens betrieben. Aufgrund des Wettbewerbs mit privat betriebenen Kitas ist fraglich, ob kommunale Kitas weiterhin dem hoheitlichen Bereich der Kommunen zuzuordnen sind.

Sachverhalt
Eine Stadt unterhält als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe eigene Kitas, die sie als steuerlich nicht relevanten Hoheitsbetrieb behandelte. Das Finanzamt sah darin einen Betrieb gewerblicher Art; es schätzte einen Gewinn von 5.000 EUR und setzte Körperschaftsteuer in Höhe von 291 EUR fest. Hiergegen klagte die Stadt und verlor.

Entscheidung
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) unterhält die Stadt mit den Kitas einen Betrieb gewerblicher Art. Unabhängig vom sozialpolitischen und -rechtlichen Förderungsauftrag ist maßgeblich darauf abzustellen, dass die kommunalen Kitas in einem Anbieter- und Nachfragewettbewerb zu anderen Kitas stehen. Die notwendige Einnahmeerzielungsabsicht ist durch die eingeforderten Elternbeiträge gegeben.

Konsequenz
Aufgrund des zentralen Wettbewerbsgedanken im Steuerrecht ist die Behandlung als Betrieb gewerblicher Art sachgerecht. Umfassende Steuerzahlungen sind für diese Betriebe aber nicht zu befürchten. Regelmäßig ist der Kita-Betrieb gewerblicher Art von der Umsatzsteuer befreit; ertragsteuerlich liegt ein Zweckbetrieb vor, sofern der Kita-Betrieb gewerblicher Art eine gemeinnützige Satzung erhält. Kommunale Träger werden auf das Urteil reagieren müssen. Zielführend kann eine gemeinnützige Satzung für die Kita-Betriebe sein.

28. Bildung von Rückstellungen wegen zukünftiger Betriebsprüfungen

Kernaussage
Betriebe, die wegen ihrer Größe mit regelmäßigen Betriebsprüfungen rechnen müssen, dürfen auch dann Rückstellungen für die Kosten künftiger Betriebsprüfungen bilden, wenn eine Prüfungsanordnung noch nicht ergangen ist.

Sachverhalt
Die klagende GmbH war als sogenannter Großbetrieb anzusehen. Daher musste sie aufgrund der Betriebsprüfungsordnung damit rechnen, dass die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen eines jeden Geschäftsjahres durch eine Betriebsprüfung kontrolliert wird. Weil sie insoweit von Mitwirkungspflichten betroffen ist, bildete die GmbH Rückstellungen für Beratungskosten. Diese Rückstellungen erkannte das beklagte Finanzamt nicht an. Die Bildung solcher Rückstellungen sei erst ab dem Zeitpunkt zulässig, in dem die nächste Prüfung angeordnet sei. Erst ab diesem Zeitpunkt sei das Entstehen der Kosten hinreichend sicher. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg; die Bildung der Rückstellung war zulässig.

Entscheidung
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) sieht die Betriebsprüfungsordnung vor, dass sich bei Großbetrieben der nächste durch Außenprüfung zu kontrollierende Zeitraum unmittelbar an den letzten Prüfungszeitraum anschließen soll. Daher sei aus Sicht der GmbH hinreichend sicher gewesen, dass sie in der Zukunft im Rahmen der Außenprüfung Beratungskosten würde zahlen müssen. Es genüge, dass die Verpflichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit innerhalb eines bestimmbaren und dem Belieben des Steuerpflichtigen entzogenen Zeitraums zu erfüllen sei. Diese Kosten seien auch wirtschaftlich dem zu prüfenden Wirtschaftsjahr zuzurechnen. Daher lägen die Voraussetzungen einer Rückstellungsbildung vor. Es sei insoweit nicht erheblich, dass eine Prüfungsanordnung noch nicht ergangen sei. Der erfolgswirksamen Bildung der Rückstellung stehe auch nicht entgegen, dass Steuern das Ergebnis nicht mindern dürfen. Bei den durch Rückstellung abgebildeten Aufwendungen handele es sich nicht um Steuern, sondern um Kosten der steuerlichen Beratung.

Konsequenz
Großbetriebe müssen aufgrund der Betriebsprüfungsordnung damit rechnen, dass jedes Wirtschaftsjahr einer Außenprüfung unterzogen wird. Weil die Außenprüfung überwiegend wahrscheinlich ist, ist auch der Bedarf steuerlicher Betreuung im Rahmen der Außenprüfung hinreichend konkretisiert. Daher dürfen Großbetriebe in jedem Jahr erfolgswirksam Rückstellungen für die Beratung im Rahmen der Betriebsprüfung bilden. Dies gilt auch dann, wenn die Betriebsprüfung noch nicht angeordnet ist.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de